26.8.2020 - Jann Raveling

Das Internet aus dem All

Luft- und Raumfahrt
Ein Satellit im Weltall
Tausende Kleinsatelliten werden in den kommenden Jahren die Erde umrunden (Symbolbild) © pixabay

Funklöcher, schlechter Empfang oder gar keine mobile Daten. Auch 2020 noch ein Problem, vor allem in ländlichen Gegenden. Gleichzeitig steht die nächste Generation der mobilen Dateninfrastruktur, 5G, bereits vor der Tür. Viele fragen sich da: Was bringt der nächste Schritt?

Die fünfte Generation des Mobilfunks wird bis zu tausendmal schneller sein und eine deutlich höhere Netzkapazität haben als bisherige Mobilfunksysteme. Das ist für Verbraucherinnen und Verbraucher gut, aber auch für Unternehmen – 5G ermöglicht es, Maschinen und Dinge zu vernetzen und so zum Beispiel autonome Fahrzeuge zu steuern.

Ein weltumspannendes Netz ohne weiße Flecken

Und auch was die Verfügbarkeit angeht, soll 5G alles Bisherige in den Schatten stellen. Daran arbeitet auch ein Bremer Wissenschaftsprojekt mit dem eher kryptischen Namen „5GSatOpt“. Es setzt auf Hilfe aus dem All, um die mobile Dateninfrastruktur bis in die letzten Ecke der Erde zu bringen: Konstellationen von Kleinsatelliten.

Sie sollen Funkmasten vor allem in ländlichen Gegenden unterstützen, wo die Dichte der Masten oft viel geringer ist als in Städten. Die Verbindung zum Satelliten wird entweder über einfache Stationen (Relays) auf der Erde oder direkt zwischen Mobilgerät und Satellit hergestellt. Die Relays sind einfach aufzustellen und zu betreiben, daher für abgelegene Gegenden geeignet.

Ein Amerikaner prescht vor

Bei der „himmlischen“ Unterstützung planen die Bremer Forscherinnen und Forscher mit einem neuen Konzept, die vor allem durch Elon Musks SpaceX-Weltraumfirma bekannt wurde: Schwärme aus Kleinsatelliten. In Musks „StarLink“-Projekt möchte der umtriebige Gründer bis zu 30.000 Mini-Satelliten ins Weltall schicken, um damit ein weltumspannendes Internet zu ermöglichen. Rund 500 schoss er bis heute in der Umlaufbahn. Diese kommerzielle Nutzung des Weltalls durch Unternehmen wird gern auch unter dem Begriff „New Space“ zusammengefasst.

Auch in Bremen wird mit Minisatelliten in großer Stückzahl geplant – zwischen mehreren Hundert und wenigen Tausend. „Klein-Satellitenschwärme werden durch Massenfertigung zunehmend günstiger zu produzieren sein und durch ihre große Anzahl wird das Gesamtsystem insgesamt ausfallsicherer. Wir möchten, dass zum Beispiel drei Satelliten immer eng zusammenarbeiten und so einen Strahl – Beam genannt – gen Erde schicken, um eine geforderte Abdeckung zu erreichen“, so Professor Armin Dekorsy, Leiter des Arbeitsbereichs Nachrichtentechnik an der Universität Bremen.

5G mit Forschungen aus Bremen

Im Gegensatz zu Musks Satelliteninternet basieren die Forschungen im Bremer Projekt auf dem Mobilfunkstandard 5G. Auch wenn es bisher noch keine 5G-Satelliten im All gibt, ist sich Dekorsy sicher, nicht vom Starlink-Projekt abgehängt zu werden. „Hinter der Erweiterung des 5G-Standards auf Minisatelliten stecken die größten Firmen dieser Welt, daher ist es genau richtig, dass wir hier forschen“, meint er.

Die Entwicklung von 5G Technologien für Minisatelliten ist komplex – so kann sie kaum unter Realbedingungen getestet werden, denn jeder Satellitenstart ist teuer. Aus diesem Grund ist es ein entscheidendes Ziel im Bremer Vorhaben, eine Simulationsplattform zu entwickeln, die das Zusammenspiel der Satellitenschwärme sowie terrestrischer 5G-Komponenten bereits auf der Erde erproben kann.

„Das Projekt beinhaltet klassische industrielle Forschungsarbeit: Wir schaffen die Grundlagen und Ideen, die von der Industrie aufgenommen werden, um daraus Produkte zu entwickeln“, ergänzt Frank Bittner, Forschungsmanager im Bereich Arbeitsbereich Nachrichtentechnik.

Ein Schema, wie Satelliten mit Endgeräten kommunizieren
Satelliten kommunizieren mit Relays auf den Boden, die wiederum das Signal an die Endgeräte weiterleiten - so der Plan © BAB / Jann Raveling

Bremer Raumfahrtlandschaft wächst zusammen

Und die ist bereits an Bord: Neben den Forschungseinrichtungen Institut für Telekommunikation und Hochfrequenztechnik, dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation und dem Zentrum für Technomathematik an der Universität Bremen sind die Bremer Unternehmen ZARM Technik AG, DSI Aerospace Technologie und OHB System AG Teil des 5GSatOpt-Konsortiums.

„Ich bin sehr froh, dass wir mit den regionalen Partnern den Brückenschlag in die Industrie geschafft haben. Die New-Space-Bewegung nimmt zunehmend an Fahrt auf. Die Wissenschaft kann dazu beitragen, dass die Bremer Industrie näher zusammenwächst, neue Technologien schneller nutzt und so wettbewerbsfähig bleibt“, ist Institutsleiter Dekorsy überzeugt. „In fünf bis sechs Jahren könnten die ersten 5G-Minisatelliten bereits ins All steigen.“

Reichweite und Qualität der 5G-Signale entscheidend

Die Satellitenschwärme sollen dabei auch einige der bisherigen Schwächen von satellitengestützter Kommunikation umgehen. Heutiges Satelliteninternet hat eine hohe Latenz – Signalübertragungszeit – und ist deshalb keine ernstzunehmende Konkurrenz. Doch die neuen Satelliten tummeln sich im Low Earth Orbit (LEO) bis in maximal 1.000 Kilometern Höhe. Klassische, geostationäre Satelliten schweben in Höhen von rund 36.000 Kilometern. Der 36-fach kürzere Weg macht sich in der Übertragungszeit bemerkbar. „Für viele Anwendungen wird das LEO-Netz ausreichend schnell sein“, so Bittner.

Luft- und Raumfahrtforschungsprogramm macht Projekt möglich

Das Forschungsprojekt findet im August 2020 sein vorläufiges Ende. Es wurde dabei mit Mitteln aus dem Bremer Luft- und Raumfahrtforschungsprogramm (LuRaFo) durch die  BAB unterstützt. „Die Zusammenarbeit mit der BAB war konstruktiv und immer lösungsorientiert. Wir sind froh, die Bank als Finanzpartner in diesem Projekt zu haben“, so Bittner. Das LuRaFo unterstützt Unternehmen und Institute mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen bei der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren, um Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit in Bremen zu stärken.

Auch Dr. Norbert Möllerbernd, verantwortlicher Innovationsmanager für das LuRaFo-Programm bei der BAB, zeigt sich begeistert über die Arbeit des Konsortiums: „ Das Verbundprojekt zeichnet sich insbesondere durch den hohen Innovationsgehalt, durch die Komplexität der Aufgabenstellung und durch die beispielhafte Zusammensetzung des Konsortiums aus. KMU, Großunternehmen und Wissenschaft arbeiten eng zusammen – und bringen Bremen mit guten Ideen gemeinsam voran.“

Nach Ende des 5GSatOpt-Projekts hoffen Bittner und Dekorsy auf eine Weiterführung: „Ein neues Projekt mit zusätzlichen Partnern befindet sich bereits in der Antragsphase. In ihm wollen wir die die Technologie weiterentwickeln und so einen weiteren Schritt in Richtung Satellitenschwärme made in Bremen machen.“

Die Umsetzung des Bremer Luft- und Raumfahrt-Forschungsprogramm 2020 erfolgt im Rahmen des EFRE-Programms Land Bremen 2014-2020 (Operationelles Programm Bremen 2014-2020 für den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung Investitionen in Wachstum und Beschäftigung).

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