31.5.2018 - Corinna Laubach

Dem Krebs auf der Spur

Wirtschaftsförderung

Mit hoch spezialisierten Produkten für die Tumordiagnostik hat sich die Bremerhavener ZytoVision GmbH vom Start-up zum Global Player entwickelt

Dr. Piere Marggraf-Rogalla (links) und Dr. Sven Hauke (rechts)
Dr. Piere Marggraf-Rogalla (links) und Dr. Sven Hauke (rechts) - vom zweiköpfigen Start-up hat sich ZytoVision zu einem Global Player entwickelt. © ZytoVision GmbH

Eigentlich können Dr. Piere Marggraf-Rogalla und Dr. Sven Hauke dankbar sein, dass die Mühlen im wissenschaftlichen Betrieb langsam mahlen. Immer wieder befristete Verträge, Prozesse, die nicht in Bewegung kamen. Da machte auch das Institut für Humangenetik an der Universität Bremen keine Ausnahme. Hier hatten sie sich auf tumorgenetische Forschung spezialisiert. Für die zwei Molekulargenetiker war die Unilaufbahn eigentlich eine abgemachte Sache. Und doch kam es anders.

Heute sind sie erfolgreiche Unternehmer in einem Nischenmarkt. Mit ihrer ZytoVision GmbH erforschen und entwickeln sie seit 14 Jahren Verfahren und Tests zur spezifischen Krebsdiagnostik. „Wir waren Kollegen und unabhängig voneinander wuchs der Wunsch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. So kam es dann zur gemeinsamen Gründung“, erinnert sich Piere Marggraf-Rogalla. Bedauert er es, keine Professorenlaufbahn eingeschlagen zu haben? „Nicht eine Sekunde“, erwidert der 51-Jährige, ohne nachdenken zu müssen.

Eine Mitarbeiterin begutachtet den aufgezogenen Gewebeschnitt im Labor
Mit dieser Tumorprobe können Genveränderungen nachgewiesen werden. © ZytoVision GmbH

Das Biotechnologieunternehmen ZytoVision GmbH steht für eine echte Erfolgsgeschichte aus dem kleinsten Bundesland: Vom zweiköpfigen Start-up hat sich der Spezialist zu einem Global Player entwickelt. Mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen die beiden, der Umsatz liegt bei gut fünf Millionen Euro, mehrere Auszeichnungen, darunter 2006 den Gründerpreis, haben die geschäftsführenden Gesellschafter eingeheimst und mit der 42 life sciences GmbH bereits 2008 ein Schwesterunternehmen gegründet. Hier entwickelt und vertreibt rund ein Dutzend Mitarbeiter Chemikalien und Reagenzien - und damit hat auch die ZytoVision die eigene Qualitätskontrolle bei der Herstellung der benötigten Stoffe in der Hand.

Vom Erfolg wirkt Marggraf-Rogalla immer noch überrascht: „Man weiß gar nicht, was da auf einen zukommt. Wir werden einfach immer weiter nach vorne getrieben.“ Wichtig war und ist den Unternehmern, hanseatische Bodenhaftung und eine solide Entwicklung. Was ihr Forschungsunternehmen zudem auszeichnet: Akribie und Qualität. „Wir sind sehr gründlich, sehr genau und sehr ehrgeizig, was die Qualität angeht“, umschreibt es der Firmenchef.

Hightech gegen Krebs – Die FISH-Methode

Mit ihrem Unternehmen sind Marggraf-Rogalla und Hauke Experten für künstliche DNA-Bausteine. Als sie seinerzeit gründeten, war von gezielten, individuellen Krebs-Behandlungen noch nicht die Rede. Heute sieht das anders aus. Der Schlüssel einer erfolgreichen Therapie liegt in der Entschlüsselung der Tumorzelle. Eine präzise Bestimmung von Tumoren bildet zunehmend die Grundlage moderner und maßgeschneideter Therapien für Krebspatienten. Einen wesentlichen Anteil daran haben die Test-Kits aus dem Bremerhavener Biotechnologiezentrum Bio Nord.

Auf 1.700 Quadratmetern forschen und entwickeln die Experten von ZytoVision beispielsweise Marker zur Typisierung von Krebstumoren wie Lungen- oder Brustkrebs. Mit der FISH-Methode (Fluoreszenz in situ Hybridisierung) können beispielweise Genveränderungen in Tumorproben nachgewiesen werden und damit den Therapieverlauf positiv beeinflussen. Die Genetiker entwickeln Produkte zur Anwendung dieses Standardverfahrens. Krebszellen werden hierdurch beispielsweise auf DNA-Ebene sichtbar gemacht, was eine detaillierte Charakterisierung des Tumors und dadurch optimale Therapieansätze für den Patienten möglich macht.

Eine Nahaufnahme vom Mikrotom im Labor
Am Mikrotom wir das in eingebettete Tumorgewebe geschnitten und für die FISH-Analyse vorbereitet. © ZytoVision GmbH

Die Spezialisten haben eine Technik entwickelt, die in dieser aufwändigen Analyse bereits nach zwei Stunden Ergebnisse erzielt. Teile des Verfahrens haben sich die Bremerhavener durch ein Patent schützen lassen. Es ist eines von insgesamt elf Patenten in verschiedenen Nationen, das ZytoVision erfolgreich angemeldet hat. Die Forscher arbeiten derzeit an Methoden, die es ermöglichen, mehrere DNA-Abschnitte auf einmal nachzuweisen. „Beim Stand der Diagnostik sind wir immer noch mittendrin“, sagt Marggraf-Rogalla, der gebürtig aus Lübeck stammt.

Viele Tests am Markt

Insbesondere auf Marker für seltene Brust- und Lungenkrebstumore haben sich die beiden Biologen mit ihrem Portfolio spezialisiert. Die End-Kunden des Bremerhavener Hightechunternehmens sind die Pathologen - und das rund um den Globus. Zwischenhändler sind länderspezifische Vertriebspartner. Das seien insbesondere kleinere und smarte Kunden, die ein hohes Interesse an Diagnostik haben. Aktuell vertreibt ZytoVision über 300 Produkte weltweit. „Die Pathologie ist eigentlich der Kern des Ganzen“, erläutert Marggraf-Rogalla. Wie vor 100 Jahren werden hier Schnitte der Tumore gemacht und Zellen gefärbt. Und nicht selten kommt ein an der Weser entwickeltes Verfahren zum Einsatz.

Wir sind schlanker in den Prozessen und damit wendiger. Wir sind immer die schnellsten.

Dr. Piere Marggraf-Rogalla, geschäftsführender Gesellschafter der ZytoVision GmbH

Im Bereich der Lungenkrebs-Diagnostik gilt der Mittelständler als Marktführer - und das im Gegensatz zu großen Pharmaunternehmen mit aufwändigen Forschungs- & Entwicklungsabteilungen als Mitbewerber. Für die Experten aus der Seestadt trotz Marketingmacht und Geräteausstattung der Konzerne durchaus logisch. „Wir sind schlanker in den Prozessen und damit wendiger. Wir sind immer die schnellsten“, betonen die beiden. Und natürlich überzeugen ihre wissenschaftlich basierten Test-Kits in Qualität und Zuverlässigkeit.

Hauptmieter und Branchenzugpferd

Als Marggraf-Rogalla und sein Geschäftspartner Hauke ihr Unternehmen gründeten, lag der Schwerpunkt für Biotechnologie in Bremerhaven. Das damals neu errichtete Biotechnologiezentrum Bio Nord im Fischereihafen wurde für die Gründer zum Firmensitz. Über die BIS, die Wirtschaftsförderung in der Seestadt, haben die beiden die Labore und Büroräume angemietet und sukzessive wurden sie zum Hauptmieter im Bio Nord 2. „Damals gab es ein Büro, ein Labor, einen Abstellraum und das Lager“, erinnert sich Hauke, der in Wilhelmshaven aufgewachsen ist.

Über die BAB, die Förderbank des Landes Bremen, bekamen sie eine Gründungsförderung für ihr Start-up. „65.000 Euro waren das. Das war richtig viel Geld und hat uns schlaflose Nächte beschert“, bekennen sie. Doch, die Anschubfinanzierung war elementar für den heutigen Erfolg. Es wurde in Geräte investiert. Und auch in weiteren Wachstumsphasen erwiesen sich die Bank und die BIS Wirtschaftsförderung Bremerhaven mit ihren Fördermöglichkeiten als verlässliche Partner. „Für neue Geräte brauchten wir weitere Mittel und die Volumen wurden merklich höher“, so Marggraf-Rogalla. Mittlerweile könne er gelassener damit umgehen, „aber man muss weiterhin alles ernst nehmen“, ist er sich sicher. Der Verantwortung für die Mitarbeiter, der sind sie sich bewusst. Wollen sie weiter wachsen? „Zum Wachstum gebe ich keine Prognosen mehr ab“, schmunzelt Marggraf-Rogalla, „einzig, solide soll es bleiben.“

Laborsituation bei der ZytoVision GmbH.
Forschung für maßgeschneiderte Therapien für Krebspatienten © ZytoVision GmbH

Cluster für Biotechnologie und Zukunftsforschung

Ein Großteil des Umsatzes wird bei der ZytoVision außerhalb Deutschlands generiert. Dennoch liegt es Piere Marggraf-Rogalla und Sven Hauke am Herzen, die Biotechnologie hierzulande weiterzuentwickeln und zu stärken. Das gilt sowohl für den Standort Bremen, als auch auf Bundesebene. „Wir kennen uns untereinander alle relativ gut, aber das Netzwerk kann auch in Bremen und Bremerhaven noch intensiviert werden“, so Marggraf-Rogalla.

In zwei der drei vom Bund geförderten Projekten des i3-Life-Sciences-Clusters Nordwest ist das Unternehmen eingebunden: In „Ampli-Fish“ forschen sie gemeinsam mit dem Fraunhofer MEVIS nach Methoden für die automatische und zuverlässige Diagnostik von Brusttumoren; bei „Klick-Fish“ suchen die Spezialisten gemeinsam mit Kollegen des Biolog Life Science Institute und Si-Chem (Sirius Fine Chemicals) sowie dem Universitätsklinikum Jena nach neuen Verfahren zur Markierung von Nukleinsäuren und entwickeln passende FISH-Sonden. Hier steht die Gendeletion im Mittelpunkt. Bei dieser Mutation fehlen Chromosomenabschnitte und damit auch Informationen, die wiederum für genetisch bedingte Erbkrankheiten verantwortlich sein können.

Die ZytoVision ist darüber hinaus im Rahmen weiterer Förderprojekte mit anderen Firmen und Forschungsinstituten vernetzt. Eines dieser Projekte, in denen sie ihre Expertise einbringen, ist beispielsweise ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Pilotprojekt. Hier geht es darum, genetisches Material von Tumorgewebe künftig wie eine Landkarte lesen zu können. Gendefekte in Tumoren sollen so noch sicherer und schnellerer festgestellt werden - und für Patienten ein neuer rettender Baustein in der Therapie sein. Entwickelt mit Know-how aus Bremerhaven.

Auch für BAB und BIS ist die Zusammenarbeit mit ZytoVision eine Erfolgsstory - die noch einige Jahre und weitere Projekte währen kann. „Innovative Ideen sind nicht nur in dieser Branche für Unternehmen wichtiger denn je. Wir freuen uns, wenn wir die Entwicklung neuer Technologien und die Realisierung von Innovationen mit einer Förderung unterstützen können, vor allem, wenn diese sich dann so positiv entwickeln wie ZytoVision“, so Silke Muhle, Firmen- und Geschäftskundenbetreuerin bei der BAB.

Mehr zur FEI-Förderung, speziell in Bremerhaven, erfahren Sie bei Dr. Jennifer Schweiger von der BIS, Tel. 0471 94646605, schweiger@bis-bremerhaven.de.

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